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Greff, Boris

Boris Greff (*1973 in Saarbrücken) lebt in Merzig/Saar. Studium der Hispanistik und Anglistik, literarische Übersetzungen u. a. für die Andere Bibliothek. Veröffentlichung von Kurzgeschichten und Gedichten in diversen Anthologien. Der erste Gedichtband »Augenblicke und Wimpernschläge« erschien 2021.

Weitere Informationen zum Autor finden Sie auf www.borisgreff.de

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Aus der Bahn geworfen
Seitenstraße
Nachtflug

Interview mit Boris Greff zu seinem Buch »Aus meinen Gedanken gerissen«

Lieber Herr Greff, soeben ist Ihr Gedichtband »Aus meinen Gedanken gerissen« erschienen. Was erwartet die Lesenden?

Boris Greff: Wir gehen an den Strand, wo die Träume an den wachen Verstand branden, und sammeln bunte Muscheln auf. Wir tauchen in die nur spärlich erleuchteten Tiefenregionen des Gemüts und staunen über die bizarr geformten, augenlosen, mit Tentakeln versehenen Traumgestalten, die uns da begegnen. Wir steigen zum bunten Leuchtturm des Witzes hinauf, der mit seinen Geistesblitzen die Schiffe durch die Dunkelheit führt und vor dem Zerschellen bewahrt. Wir liegen auf dem feinen, weißen Sand heiterer Empfindungen und lauschen dem Glucksen und Gurgeln träger Ideen; manchmal ziehen wir uns auch schimpfend die spitze Bemerkung einer unbequemen Wahrheit aus der Fußsohle. Alles in allem: ein toller Tag am Meer, und nichts davon, und noch viel mehr.

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»Aus meinen Gedanken gerissen« ist nicht Ihr erster Gedichtband. Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?

B. G.: Ich habe schon von klein auf gerne fabuliert, Geschichten ersonnen, zu Papier gebracht. Als Jugendlicher fand ich meine Empfindungen dann in der Lyrik am besten aufgehoben, die in ihrer Grenzen sprengenden, Untiefen auslotenden, ungestümen Freiheit auf engstem Raum ganze Ozeane, Sternenmeere und Gezeitenströme bergen kann. Dieses wortweise Heranpirschen an Undenkbares, Unsagbares, manchmal auch Unsägliches, habe ich dann mit anderen Menschen geteilt, die in nennenswerter Zahl stark, bestärkend, verstärkend darauf reagiert haben; dermaßen ertüchtigt, ging es dann nach ersten Veröffentlichungen in Anthologien daran, tüchtige Verleger zu finden, um die Gedichte auch einer größeren Leserschaft anbieten zu können. 

Wie darf ich mir Ihren Schreibprozess vorstellen?

B. G.: Wie einen Greifvogel auf Beutefang, der sich pfeilschnell aus dem Himmel stürzt; wie ein Küken im Nest, das spielerisch sein eigenes Tschilpen zum Zwitschern ausbaut; wie einen Pfau, der stolz sein Rad schlägt, imposant in seiner feurigen Farbenpracht; wie einen Schwan, der unter den überhängenden Zweigen der Trauerweide in schattigen Wassern Abschiede singt; wie einen Waldkauz, der waldeinsam und wild durch die Nächte schreit.

In Ihrem Gedichtband finden sich eine ganze Reihe politischer Gedichte, z.B. »Holocaust Stolperzeilen«. Gab es einen bestimmten Auslöser für diesen Text?

B. G.: Wie jemand mal so schön gesagt hat, man dichtet ja nicht an der Tagesschau entlang. Allerdings gibt es immer wieder Erlebnisse und Ereignisse, kleine und große, welterschütternde und unbedeutende, die einen nicht loslassen und dann auch ihren poetischen Niederschlag finden. Auslöser für ein Gedicht kann buchstäblich alles sein, und wenn man nicht vor der Welt, in der man lebt, ganz die Augen verschließt, und nur noch in rein imaginäre Parallelwelten entflieht, ist es unvermeidlich, dass dabei auch das ein oder andere politische Gedicht entsteht. »Holocaust Stolperzeilen« intendiert etwas Ähnliches wie die »Stolpersteine«, die ja mittlerweile in vielen deutschen Städten verlegt worden sind und die, mitten in der Fußgängerzone oder auf der Straße, oft an unvermuteter Stelle daran erinnern, dass hier einmal ein Mensch jüdischen Glaubens gewohnt hat, der von den Nationalsozialisten ermordet worden ist. Ähnliches sollen auch die Stolperzeilen bewirken; über ein Thema wie den Holocaust zu schreiben, ist unendlich schwer, bedrückend und herausfordernd; und doch finde ich es wichtig, dass jede Generation sich immer wieder damit auseinandersetzt; wenn es dann den ein- oder anderen Menschen gibt, der beim Lesen über diese Zeilen stolpert und nachdenklich wird, bin ich froh. So sehr die Demenz für jeden einzelnen Menschen eine große Tragödie darstellt, ist die Geschichtsvergessenheit eine Tragödie für uns alle als Menschheit; so finster diese Retrospektive auch sein mag, so notwendig ist sie jedoch auch, um für die Zukunft gewarnt und gewappnet zu sein.

Was möchten Sie zum Abschluss unseres Gesprächs noch sagen?

B. G.: Ich freue mich über jeden Menschen, der sich auf die Reise ins Ungewisse der Lyrik einlässt; sie ist eine gewaltige Urkraft, die sich auch ohne Versmaß, Metrik und Stilmittel erschließt; die einen fortreißt, mitreißt und auf ihren Schultern trägt, sofern man bereit ist, sich Herz und Hirn weiten zu lassen. Lyrik ist auch nicht unverständlich; manchmal muss man sich lediglich mehr in sie einfühlen, als dass man sie durchdenkt. Dichtung ist hochkonzentriert, dafür empfiehlt es sich, sie schlückchenweise zu verkosten – dann sind die wohltuenden Wirkungen zahllos und halten lange an; wer sie jedoch flaschenweise hinunterstürzen will, der wird sich, von Hustenkrämpfen geschüttelt, direkt wieder abwenden. Lesen Sie Lyrik! Es lohnt! In jedem Alter! Die gedankenverlorenen Fundstücke des vorliegenden Bandes sind da ein sehr guter Anfang …

Vielen Dank für das Gespräch.

 

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