Fritz Billeter, geboren 1929 in Zürich, aufgewachsen in Basel; promoviert an der Universität Basel: Dissertation «Das Dichterische bei Kafka und Kierkegaard»; 1959 Rückkehr nach Zürich, Unterricht an verschiedenen Gymnasien: Deutsch, Französisch, Filmkunde; von 1971 bis 1995 Kulturredaktor beim Zürcher Tagesanzeiger; Verfasser zahlreicher Monografien von Schweizer Künstlern; 2009 erschien im Verlag Benteli, Zürich, die Aufsatzsammlung «Für den Tag/Über den Tag hinaus». Zuletzt veröffentlichte Fritz Billeter im ATHENA-Verlag «Kunst und Gesellschaft. Ein Essay» (2017), «Dramolette. 25 bedenkliche Stücke» (2021) sowie «Dramolette 2» und «Dramolette 2» (2022) mit Bildern von Michael Wyss.
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Interview mit Fritz Billeter zur Veröffentlichung der »Dramolette 2 und 3«
Lieber Herr Billeter, soeben sind die beiden Fortsetzungen Ihrer Dramolette erschienen. Gleich 50 neue Stücke! Können Sie uns einen Einblick in Ihrem Schreibprozess geben?
Fritz Billeter: Seit etwa fünf Jahren schreibe ich Dramolette/Kurzdramen. Ein ausgewachsenes Theaterstück umfasste in der deutschen Klassik fünf Akte. Später hielten sich die Autoren von Bühnendramen nicht mehr an dieses Schema.
Sie brachten ihre Themen in drei, zwei oder einem Akt unter. Meine Dramolette haben fast immer nicht einmal die Länge eines einzigen Aktes: sie entfalten sich auf, sagen wir 10 Buchseiten. Vorbilder dazu finden sich kaum in der Literatur. Immerhin hat Samuel Beckett einige geschrieben. Die Knappheit meiner Dramolette erklärt sich vor allem dadurch, dass ich vom Journalismus herkomme. Professionell übte ich diesen Beruf als Kunstkritiker von 1971 bis 2000 aus. Als Journalist stehen einem wenn die Sache wichtig, attraktiv ist, vielleicht um die 200 Zeitungszeilen zur Verfügung: man muss, um eine Redensart zu bemühen, rasch auf den Punkt kommen. Da ich aber anders als der Journalist nicht unter Zeitdruck stehe, können meine Dramolette erdauert werden. Will heißen, dass ich ein Thema lange (Wochen, Monate) mit mir trage; niedergeschrieben ist es, wenn die Zeit reif ist, schnell, ja <blitzartig>.
Komplettes Interview lesen Wo sehen Sie die Schwierigkeit beim Schreiben eines Kurzdramas gegenüber einem sich über längere Zeit entwickelndem Text? F. B.: Ich muss in einem Dramolett mit wenigen Figuren auskommen. Auch deren Psyche lässt sich nicht breit entwickeln. Ich bringe sie von Anfang an in eine konfliktreiche Situation, in der sie bestehen oder untergehen. Sie versuchen zum Beispiel über die Grenze ihrer Alltagsroutine hinaus zu gelangen; sie stehen in einem Liebesverhältnis, das brüchig geworden ist; sie sind mit dem Tod konfrontiert oder aber mit einer Schuld, die anzunehmen sie nicht gewillt sind. Könnten Sie sich vorstellen, Ihre Texte gespielt auf einer Bühne zu sehen? F. B.: Meine Dramolette sind bis jetzt nur in Buchform erschienen. Sie zeigen Wirkung, wenn sie vorgelesen werden. Auf einer Bühne aufgeführt wurden sie bis jetzt noch nicht. Es wäre schön, sie hätten die Gelegenheit, sich auch in dieser Form zu bewähren. Vielen Dank für das Gespräch. Interview einklappen
Interview mit Fritz Billeter zu seinem Buch »Dramolette«
Lieber Herr Billeter, soeben ist ihr Buch »Dramolette« erschienen. Der Untertitel verweist auf »25 bedenkliche Stücke«.
In einem Satz: Was erwartet die Lesenden?
Fritz Billeter: Dramolette sind Kurzdramen, eine von den Schriftstellern selten verwendete theatralische Form. Ich versuche so auf wenigen Buchseiten dasselbe zu sagen, wofür ein Autor der Klassik fünf Akte benötigt. Wir reden und schreiben heutzutage kürzer, gedrängter als zur Zeit Goethes und Schillers.
Komplettes Interview lesen Des Weiteren zeichnen sich meine Dramolette dadurch aus, dass sie in einer Pointe, das heisst mit einer überraschenden Wendung oder aber mit einem offenen Schluss enden. Dieser könnte den Leser / die Zuschauerin, dazu anregen, das Dramolett nach eigener Vorstellung zu Ende zu denken, beziehungsweise zu Ende zu schreiben. Aus diesen Gründen lautet der Untertitel meines Buches <25 bedenkliche Stücke>: sie sollen vom Leser / der Zuschauerin <bedacht> werden. Sie sind auch deswegen <bedenklich>, weil in ihnen Unerhörtes, Schreckliches, Skandalöses passiert. Sie haben über Kafka und Kierkegaard promoviert, sind bekannt als Kunstkritiker und waren mehr als zwei Jahrzehnte Kulturredaktor beim Zürcher Tagesanzeiger. Inwieweit wirkt sich das auch auf Ihr eigenes Schaffen aus? F. B.: Beim Dramolett <Frohe Botschaft> beispielsweise habe ich mich von Kafka, aber auch von einer Brecht-Ballade inspirieren lassen. Gut möglich, dass diese Herkunft von einem Leser, einer Zuschauerin nicht nachvollzogen werden kann, weil der Zusammenhang extrem subjektiv ist, daher eigentlich nur für mich, nicht aber für den Leser / die Zuschauerin von Belang sein wird. Kierkegaard hingegen hat mein eigenes Schreiben nie inspiriert. Meine langjährige journalistische Tätigkeit am Zürcher Tages-Anzeiger hat mich gelehrt, beziehungsweise gezwungen, die Sache auf den Punkt zu bringen: auch aus diesen Voraussetzungen Dramolette, Kurzdramen. Als ehemaliger Kunstkritiker erfüllen mich nach wie vor Bilder. Schreibend gehe ich oft von einer bildhaft vorgestellten Situation aus, nicht von Figuren, schon gar nicht von historischen Personen. Woher nehmen Sie den „Stoff“ für Ihre Texte und wie sehen die Bedingungen aus, unter denen Sie schreiben? F. B.: Den Stoff für meine Dramolette nehme ich aus dem Alltag und aus der heute weit verbreiteten apokalyptischen Stimmung. Ich schreibe fast täglich, aber nur zwei bis drei Stunden. Meine Frau hält mir den Rücken frei; sie sorgt dafür, dass ich im <praktischen Leben> nicht untergehe. Was steht auf Ihrem Schreibtisch? Woran arbeiten Sie gerade? Was möchten Sie zum Abschluss unseres Gesprächs noch sagen? Vielen Dank für das Gespräch. Interview einklappen
F. B.: Neben meinem Laptop eine chaotische Ordnung, in der ich mich allein zurechtfinde. Ich schreibe an einem zweiten Band Dramolette, illustriert von dem mir befreundeten Künstler Michael Wyss. Seine Bilder sind nicht als willkommne Beigabe gedacht, sondern sollen ebenbürtig neben meinem Text stehen.
F. B.: In Zeiten der Mass Media und der Fake News kommt Literatur, Dichtung grosse Bedeutung zu, da sie grundsätzlich <Wahrheit> produziert.