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Seyfried, Rolf Gregor

Rolf Gregor Seyfried, geboren 1969 in Graz, Studium der Philosophie. Er ist freier Autor, Yogalehrer, Inhaber der SPRACHKÜCHE (www.sprachkueche.at) und leitet Workshops für kreatives und biografisches Schreiben. Außerdem arbeitet er als Lehrer für Deutsch als Fremdsprache und wirkt nebenbei in zahlreichen literarischen Performances. Rolf Gregor Seyfried lebt und arbeitet in Wien.

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Hörproben aus »Am Ende des Festes«

Das Ende des Festes
Verführung im Treibsand
Zeit des Stillstands

Interview mit Rolf Gregor Seyfried zu seinem Buch »Der Feuervogel«

Lieber Herr Seyfried, soeben ist Ihr neues Buch »Der Feuervogel« erschienen. In einem Satz: Was erwartet die Lesenden?

Rolf Gregor Seyfried: Es warten Reisen, auf die man sich nicht vorbereiten kann, Reisen, die man nie machen würde, wüßte man, wohin sie einen führen oder nicht führen, Reisen, bei denen man alles zurückläßt, sogar sich selbst.

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Alle drei Erzählungen handeln von Verwandlung. Was reizt Sie an diesem Thema?

R. G. S.: Es ist das Aufreizende selbst, das in der Verwandlung liegt, wenn schlafende Sinne geweckt und neue Sinnhorizonte aufgemacht werden. Verwandlung pflügt sich durch die alte Form und bringt das Innere nach außen, das Untere nach oben, das Verborgene ans Licht. Eine Verwandlung verändert nicht bloß, sondern entlarvt auch. Gewesenes enthüllt sich als Trug und Täuschung. Verwandlung bedeutet krisenhafte Ent-Täuschung. Doch gerade deshalb erleichtert sie uns von der Last des Scheins; denn nichts lastet mehr als der Schein.

Ihre Geschichten sind stark vom Fantastischen geprägt, loten die Grundthemen des Menschen aus. Könnten Sie sich auch vorstellen, Märchen für Erwachsene und Kinder zu schreiben?

R. G. S.: Durchaus, ja. Manchmal erscheint mir die Realität als eine dünne Schicht, eine zerbrechliche Schale. Geht der Blick tiefer, dann zeigen sich dahinter wirkende Schaffenskräfte. Da webt in allem etwas Seelisches, da weht durch alles hindurch etwas Geistiges. Märchen machen Seelenkräfte sichtbar, die in schicksalhaften Ordnungen eingebettet sind. Das Sichtbarmachen solcher Ordnungen hat etwas Befreiendes und Erlösendes. Märchen haben bei aller Einfachheit einen tiefen Ernst. Dieser tiefe Ernst berührt mich mehr als das zwanghaft Lakonische, der demonstrative Nihilismus und die inszenierte Bedeutungslosigkeit. Ich möchte nach einer Geschichte aufatmen können, wenn da plötzlich eine Ordnung sichtbar und spürbar geworden ist. Geschichten indes, die in einer lustvollen Langeweile und zelebrierten Sinnlosigkeit versanden, sagen mir nichts. Da liebe ich doch mehr das Kindliche und Unverstellte, das dem Himmel näher ist als eine seelisch verödete Abgeklärtheit, die so viel weiß und dennoch oder gerade deshalb völlig ahnungslos ist.

Was von allem, was in der Welt zuletzt passiert, hat in Ihnen die tiefsten Spuren hinterlassen?

R. G. S.: Die Lüge fühlt sich in dieser Welt pudelwohl. Des Pudels Kern, wir kennen ihn – und wir sehen ihn, wenn auf öffentlichen Bühnen so schamlos geflunkert wird, daß sich die Balken biegen. Das Gerade wird krummgelogen. Und das Krumme wird geradegebogen. Was oben ist, wird heruntergezerrt. Was unten ist, steigt auf. Das Gelichter hat sich zu goldenen Sternen aufgeputzt und den blauen Himmel für sich in Anspruch genommen. Doch es gibt noch die andere Spur; sie führt aus dem Moloch heraus. Es ist der Mensch, der den Mut hat, dieser eine Mensch zu sein, der unverwechselbar und mit eigener Stimme in der Welt steht. Er ist Wort und Antwort zugleich. Er hat den Mut, sich seiner Vernunft zu bedienen und auf sein Herz zu hören. Sich dem Geistigen zuwendend, weiß er sich mit der Menschheit verbunden.

Was möchten Sie zum Abschluss unseres Gesprächs noch sagen?

R. G. S.: Daß wir uns auf das kostbarste Gut besinnen sollen, das wir Menschen haben. Es ist weder Gesundheit, ja nicht einmal das nackte Leben; es ist die geistig-seelische Freiheit. Sie ist jener große Vogel, der uns zu den Quellen des Menschseins trägt. Die Kunst kann uns auf dieser Reise begleiten.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

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Interview mit Rolf Gregor Seyfried zu seinem Buch »Das Ende des Festes«

Lieber Herr Seyfried, soeben ist Ihr neues Buch „Das Ende des Festes. Prosastücke und Gedichte“ erschienen. In einem Satz: Was erwartet die Lesenden?

Rolf Gregor Seyfried: Die Lesenden erwartet die Erfahrung einer existentiellen Schwelle, also eines Ortes, der zwei Erfahrungsräume verbindet und gleichzeitig trennt, Erfahrungen des Zerbrechlichen, Ungesicherten und Offenen, wenn etwas zu Ende geht, während sich das Neue entweder vorbereitet oder noch vorenthält; es ist die Schwelle zwischen Ahnung und Wissen, zwischen Unfreiheit und Freiheit, zwischen Abschied und zarter Verheißung; aber auch manche Ausweglosigkeit wird spürbar als Signum einer verhüllten Täuschung.

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Woher nehmen Sie den Stoff für Ihre Texte und unter welchen Bedingungen schreiben Sie?

R. G. S.: Der Stoff ist das Leben selbst, doch über dem Leben schwebt, gleichsam wie ein Geist über den Wassern, eine Welt der Imagination, des Mythischen und Bildhaften. Früher glaubte ich, man müsse besondere Bedingungen schaffen, um schreiben zu können. Das war ein Irrtum. Schreiben kann ich immer, sogar zwischen zwei Flügelschlägen eines Kolibris. Da entsteht ein neuer Mythos und eine alte Welt verschwindet, so schnell geht das. Ansonsten schreibe ich am Küchentisch, im Bett, auf dem Boden, auf der Yogamatte, im Badezimmer und manchmal im Klo, wenn ich mich vor meiner Tochter verstecke. Lange Zeit war der Ort meines Schaffens der begehbare Kleiderschrank. Meine Frau sagte: „Endlich habe ich einen Mann im Schrank.“

Als Inhaber der SPRACHKÜCHE (www.sprachkueche.at) leiten Sie Workshops für kreatives und biografisches Schreiben. Mich würde interessieren, wann und wie haben Sie mit dem Schreiben begonnen?

R. G. S.: Begonnen habe ich 1987, als ich noch Schüler war und glaubte, daß sich Gedichte reimen müssen. Mittlerweile habe ich mir meine Erstlingswerke verziehen. Im Ernst: Zu meinen wichtigsten Erfahrungen gehörte die erschütternde Erkenntnis, daß man jeden künstlerischen Entwicklungsschritt zu würdigen hat. Viele Jahre stagnierte ich, weil ich meine eigenen Geschichten und meine eigene Geschichte nicht ernst genommen habe. Diese Einsicht fließt auch in meine Workshops ein. Ich versuche den Menschen zu vermitteln, daß jedes Leben unzählige Kostbarkeiten birgt, die es freizulegen gilt. Durch das Schreiben und das hörende Feld, das in meinen Workshops entsteht, treten ganz erstaunliche Dinge zutage: rote Fäden, Silberstreife am Horizont, Ideen für neue Geschichten oder gleich für ein neues Leben. So manche Teilnehmerin hat danach den Beruf gewechselt.

Was steht auf Ihrem Schreibtisch? Woran arbeiten Sie gerade?

R. G. S.: Ich besitze keinen Schreibtisch. Es gibt einen Tisch, das ist der Küchentisch. Wenn die letzten Teller, Schüsseln und Essensreste weggeräumt sind, bleiben über eine Kerze, drei Steine, ein Bild und ein rosaroter Wecker.
Ich arbeite gerade an drei Büchern: an einem neuen Band mit Kurzprosa und Gedichten, an einem Roman und an einem Buch mit Schreibmeditationen und Gedanken zum kreativen und intuitiven Schreiben.
Und vier Bücher liegen fertig in der Schublade: ein Roman, ein Buch mit zwei längeren Erzählungen und zwei Kinderbücher.

Lohnt es sich in dieser schnelllebigen und krisenhaften Zeit überhaupt noch Bücher zu schreiben?

R. G. S.: Aus materialistischer Sicht lohnt sich das Schreiben von Büchern eher nicht. Besseren Lohn gibt es in der Pharmaindustrie. Aber die materialistische Sicht selbst lohnt sich letzten Endes am allerwenigsten, weil sie zum Scheitern verurteilt ist, so wie alles Schnelllebige, Allzueilige und Aufgeblasene zum Scheitern verurteilt ist. Das Unechte zerplatzt jetzt. Die Falschspielerei kommt ans Tageslicht. Aber die Sprache ist langsam, sehr langsam, wie die Seele und der künstlerische Prozeß – wie das Leben selbst. Insofern ist es gerade in einer Krise notwendig, Bücher zu schreiben und Bücher zu lesen, um die Kunst der Langsamkeit zu erlernen und die eigene Seele zu entdecken. Es geht letztlich um eine Sprache, in der wir wieder atmen können.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

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