Foto Werner von Mutzenbecher

Mutzenbecher, Werner von

Werner von Mutzenbecher, geb. 1937 in Frankfurt am Main, lebt heute als Maler, Filmemacher und Autor in Basel. Schulen in Riehen und Basel, zwei Semester Studium der Philosophie und der Germanistik an der Universität Basel, 1957–1960 Kunststudium an der Allgemeinen Gewerbeschule Basel, Nachtarbeit bei der Post, 1977 Konservator ad interim der Kunsthalle Basel, Lehrtätigkeit an der Schule für Gestaltung Basel, 1987–2000 Leiter der Malklasse an der Hochschule für Gestaltung Basel, seit 1968 auch Experimentalfilme, freie und angewandte Texte, Ausstellungen und Filmvorführungen im In- und Ausland. Veröffentlichungen: »Reise nach Polgsen, polnisch Pełczyn«, »Die Geschichte von Monsieur M.« und »Jonathan träumt« im Stroemfeld Verlag, »Im Film sein« im modo Verlag.

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Interview mit Werner von Mutzenbecher zu seinem Buch »Die Lieder«

Lieber Herr von Mutzenbecher, soeben ist ihr Prosawerk »Die Lieder« erschienen. In einem Satz: Was erwartet die Lesenden?

Werner von Mutzenbecher: Die Leserinnen und Leser erwartet eine Ansammlung von kurzen, oft ironisch gefärbten Preisungen oder Superlativen. Es geht also um den höchsten Turm, das tiefste Meer, die grösste Musik, den grössten Bergsteiger, die liebste Frau, die mächtigste Hexe und so weiter. Gemeinsam ist den 43 Prosastücken ihre Konzentration auf die gewählten Inhalte, erweitert jeweils durch diverse Querbezüge und Assoziationen.

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Wie kamen Sie auf die Idee einer Sammlung von Superlativen?

W. v. M.: Superlative können erhaben wie auch lächerlich wirken. Grundsätzlich sind es Übertreibungen, im Guten wie im Schlechten. Das macht sie spannend und auch anfechtbar. Das gefällt dem Schreibenden gut. Die Anregungen können von vielen Seiten kommen. Mag sein, dass das Gedicht von Rimbaud, «La chanson de la plus haute tour», mir einen Anstoss gab. Und auch in Märchen ist eine Faszination für Türme zu beobachten, so bei Rapunzel oder Jungfrau Maleen. Früheste Eindrücke von hohen Bergen sind bleibend. Nicht minder wichtig als die Natur aber sind die Menschen und ihre Taten.

Ihre Lieder bestehen nicht aus Strophen, Versen und Reimen. Wie bleibt der Liedcharakter erhalten? Soll er überhaupt erhalten werden?

W. v. M.: «Lieder» habe ich die Prosastücke gerne genannt. Der Begriff Lied generiert eine andere Aufmerksamkeit. «Davon kann ich ein Lied singen», lautet zum Beispiel eine Redewendung. Ein Lied ist anders gefasst und wird anders gebraucht als ein Prosatext. Aber um Wortwahl, um Abfolgen, um Rhythmus geht es allemal. Ganz überraschend ist die veränderte Verwendung der Bedeutung von «Lied» keineswegs. Man darf an «Die Klagelieder Jeremias» erinnern oder an die, «Songs» genannten, Kurzfilme des Filmemachers Stan Brakhage.

Haben Sie bestimmte Schreibrituale? Beschreiben Sie Ihre ideale Schreibumgebung.

W. v. M.: Schreibrituale kenne ich wohl kaum, jedenfalls fallen mir keine ein. Es sei denn, einen vermehrten Einsatz von Zigaretten beim Schreiben empfinde man als Ritual! Im täglichen Leben könnte man gewisse wiederkehrende Tätigkeiten als Rituale bezeichnen, allerdings ohne deren religiösen Gehalt.

Was möchten Sie zum Abschluss unseres Gesprächs noch sagen?  

W. v. M.: Aus unendlich vielen Möglichkeiten greife ich wenige Superlative heraus, was zufällig scheinen mag. Ich glaube allerdings, dass sich bei allen Beispielen Wege zurückverfolgen lassen, die zu präzisen Orten in meinem Gefühlshaushalt führen. So liesse sich die unsystematisch getroffene Auswahl vielleicht erklären.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

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Interview mit Werner von Mutzenbecher zu seinem Buch »Nachtgesichter«

Lieber Herr von Mutzenbecher, soeben ist Ihr Erzählband »Nachtgesichter« erschienen. Was erwartet die Lesenden?

Werner von Mutzenbecher: Die Lesenden erwartet eine Mischung verschiedenartigster Erzählungen. Sie spielen an unterschiedlichsten Orten und Zeiten und werden von normalen bis zu sehr eigenartigen Menschen bevölkert, auch Tiere dürfen dabei nicht fehlen. Gemeinsam ist allen Geschichten die Lust des Autors am Fabulieren, am Erfinden von Figuren, sowie das Interesse an der Sprache mit all ihren Möglichkeiten.

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Was macht die Gesichter der Nacht so viel interessanter als die Gesichter des Tages?

W. v. M.: Die Gesichter der Nacht sind nicht per se interessanter als die des Tages, aber sie sind anders, weil auch die Nacht anders ist als der Tag. Denn diese bildet einen weiterreichenden, geheimnisvollen Raum und umhüllt uns anders. Die Nacht befördert romantische Gefühle, die Begegnungen mit Menschen sind oft davon geprägt. Nachtgesichter sind auf immer mit den Orten der Nacht verbunden. Und auch die Nachtfalter sind Nachtgesichter!

Gibt es eine Erzählung in »Nachtgesichter«, die Ihnen besonders am Herzen liegt? Welche ist es und warum?

W. v. M.: Wert sind mir alle meine Geschichten, da sie ja sozusagen meine Geschöpfe sind. Aber es ist richtig, dass gewisse einen höheren Stellenwert haben. So habe ich High-Jacking mehrmals umgeschrieben, das Agentenpaar hat mich auf die Reise mitgenommen, und beschützt von Tieren stieg ich furchtlos in die Unterwelt hinab. Aber vielleicht gilt meine besondere Zuneigung Mathilde, dieser eigentlich so liebenswerten, aber zerrissenen Frau. Wie in den meisten meiner Erzählungen ist die oft schwierige Beziehung der Geschlechter ein Thema, das mich nicht loslässt.

Neben Ihrer Tätigkeit als Autor und Maler sind Sie auch Filmemacher. Inwiefern würden Sie sagen, beeinflusst Ihr Sinn für visuelle Darstellungsformen ihr Schreiben?

W. v. M.: Das Visuelle ist in der Tat ein leitendes Element all meiner Tätigkeiten, ob ich nun ein Konzentrat davon in ein gemaltes Bild zu fassen versuche oder beim Filmen der Bewegung und Bewegtheit auf der Spur bin. So ist es beim Schreiben nicht anders. Oft gehe ich von inneren Bildern aus, die ich sprachlich umsetze oder die mir überhaupt erst den Anstoss geben für das Schreiben.

Was möchten Sie zum Abschluss unseres Gesprächs noch sagen?  

W. v. M.: In kurzer Folge sind nun im Athena-Verlag drei Bücher von mir erschienen. Zwei Bücher mit Erzählungen oder Geschichten, wie man es auch nennen mag, und ein Buch mit meinen von 1956 bis in die unmittelbare Gegenwart entstandenen Gedichten. Das ist mehr, als man sich gemeinhin erhoffen kann. Ich bin dafür dankbar und auch ein bisschen überwältigt. Das wird aber keineswegs zum Versiegen meiner Schreibtätigkeit führen, ganz im Gegenteil!

Vielen Dank für das Gespräch.

 

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Interview mit Werner von Mutzenbecher zu seinem Buch »Die Gedichte«

Lieber Herr von Mutzenbecher, Sie sind Maler, Filmemacher und Autor. Nun ist mit »Die Gedichte« Ihr erster Gedichtband erschienen. Wie erklären Sie sich Ihre Vielseitigkeit?

Werner von Mutzenbecher: Ich empfinde meine Vielseitigkeit nicht unbedingt als einzigartig. In uns allen liegen Talente, nur gelangen sie oft nicht ans Tageslicht. Mir gegeben ist wahrscheinlich ein ausgeprägter Drang zum Tun, zum Probieren und Experimentieren, auch zum Alles-alleine-machen-Wollen, dazu eine Neugierde, die mich anspornt. Ich will meine Fähigkeiten erproben, an selbst gestellten Aufgaben messen. Dabei sind Erfolg und Misserfolg nah beieinander, was jede Arbeit zu einer spannenden Herausforderung macht. Im Laufe der Zeit habe ich mich nicht nur als Maler betätigt, ich versuchte auch Medien wie das Schreiben und Filmen produktiv einzubeziehen. Nicht zuletzt aus dem Grund, weil kein einziges Medium für sich allein die innere und äußere Wirklichkeit umfassend abzubilden vermag.

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In Ihrem Gedichtband erwartet mich eine Sammlung von Texten aus über fünf Jahrzehnten. Warum haben Sie so lange mit der Veröffentlichung gewartet?

W. v. M.: Das hat damit zu tun, dass die Gedichte bis heute nie autonom auftraten, sie waren immer in ein Gesamt-Konvolut von Lyrik und Prosa eingebunden. Ich schrieb von 1967 bis 2001 lyrische Prosa mit Gedichten vermischt und sammelte sie unter dem schlichten Namen »Texte«, nur Teile daraus wurden veröffentlicht. Ab den 90er-Jahren begann ich Geschichten zu schreiben, Figuren zu erfinden. Drei Erzählbände sind bei Stroemfeld und Athena erschienen. Über die alten Texte, die mir viel bedeuten, dachte ich weiterhin nach. Die Begegnung mit dem ATHENA-Verlag, welcher sich mutig auch der Lyrik widmet, gab mir die Idee, sämtliche Gedichte von der Prosa zu trennen und erstmals zu einem Gedichtband zusammenzufassen, ergänzt durch neueste Gedichte der letzten Jahre.

Eine Konstante in Ihren Texten ist die Auseinandersetzung mit dem Begriff »gehen«. Was hat es damit auf sich?

W. v. M.: Das »Gehen« hat mich tatsächlich immer wieder beschäftigt und war Thema vieler Gedichte und wohl ebenso vieler Filme. Darin liegt eine Bewegung vorwärts, seltener wird rückwärts gegangen. Da ich Vergangenheit niemals verleugne, aber wenig Lust verspüre, dorthin zurückzukehren, sondern in meinem Denken und Tun eher nach vorn gerichtet bin, ist das Gehen in der Tat ein eigentlicher Lebens- und Denkinhalt. Im Medium der Malerei ließ sich das nicht ausdrücken, in Texten und Filmen aber schon. Mitgewirkt hat vielleicht auch die Nachtarbeit bei der Paketpost, wo ich als sogenannter Läufer die nummerierten Pakete entsprechend verteilen musste.

Was von allem, was in der Welt zuletzt passiert ist und direkt oder indirekt erlebt wurde, hat in Ihnen die tiefsten Spuren hinterlassen?

W. v. M.: Kriege haben mich immer beschäftigt und das seit meiner frühesten Jugendzeit, bin ich doch kurz vor Ausbruch des zweiten Weltkriegs geboren. Ich studierte viele, bei manchen ergriff ich Partei. Sehr bewegt mich der Krieg in der Ukraine. Während der Zeit der Pandemie war die Schließung der Grenzen vielleicht das Schlimmste, ein Schock. Menschen wurden voneinander getrennt, Liebende. Die Spaltung der Gesellschaft, die Vereinsamung der Einzelnen wurde damit gefördert, die Freundlichkeit im Umgang durch tiefsitzendes Misstrauen ersetzt.

Was möchten Sie zum Abschluss unseres Gesprächs noch sagen?  

W. v. M.: Das alles hinterlässt Spuren. Es gibt wenig Antwort auf die Schrecklichkeiten der Welt, auf die Unzulänglichkeiten der eigenen Person. Lebensfreude soll aber ihren Platz behaupten dürfen, Humor auch, Schaffensfreude und Wissbegierde allem gegenüber, was uns umgibt.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

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Interview mit Werner von Mutzenbecher zu seinem Buch »Dort geht Sergio«

Lieber Herr von Mutzenbecher, soeben ist Ihr Buch „Dort geht Sergio“ erschienen. Was erwartet die Lesenden?

Werner von Mutzenbecher: Eine Mischung aus ernsten und fröhlichen, tragischen und schnurrigen, dokumentarisch-realen und fantastisch-imaginierten Texten. Kürzere und längere Geschichten, über mehrere Jahre hindurch entstanden und gesammelt. Wahre, halbwahre und gänzlich erfundene Geschichten.

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Sie sind international bekannt als Maler und Filmemacher, waren Dozent der Schule für Gestaltung in Basel und interimistischer Konservator der Kunsthalle Basel. In Ihrem neuen Buch schaffen Sie bildreiche, fantastische Portraits von Figuren und Orten. Inwieweit spielt hier auch der Blick des Künstlers von Mutzenbecher eine Rolle?

W. v. M.: In allen meinen Aktivitäten spielt das Visuelle eine Rolle. Ob in der Malerei, im Film oder beim Schreiben. Ich vertraue sehr stark der Kraft und Macht der Bilder. Das führt dazu, dass anderes, ebenso wichtiges, eher zweitrangig behandelt wird. Allerdings ist allen drei Medien, wozu dann und wann auch die Fotografie gehörte, gemeinsam, dass jedes Medium als solches ernstgenommen und auf seine ihm spezifisch eigenen Möglichkeiten ergründet werden sollte. Beim Schreiben ist es die Gegebenheit, mit Worten und deren Abfolge in Sätzen innere Bilder entstehen zu lassen beim Lesen der Texte. Dabei entstehen Geschichten, aber das Wie des Erzählens ist so wichtig oder noch wichtiger oft als das Was.

Woher nehmen Sie den Stoff für Ihre Texte und wie sehen die Bedingungen aus, unter denen Sie schreiben?

W. v. M.: Die «Stoffe» kommen von überall her. Sehr wichtig ist die Atmosphäre von Orten, ihre spezifische Ausstrahlung. Orte, die ich früher aufgesucht habe, die ich wieder erinnere. Natürlich spielt auch Lektüre eine Rolle. Damit meine ich Bücher ebenso wie Zeitungen, die ich beinahe täglich lese. Manchmal kann eine unscheinbare Notiz zu einer Geschichte führen. Oder ein Satz, der sich im Kopf bildet und dort geblieben ist, kann zum Anfang einer nicht vorausgesehenen, erst beim Schreiben entstehenden Erzählung werden. Und natürlich spielen Menschen eine wichtige Rolle. Nicht zuletzt ist es meine Freude am Fabulieren, die mich zum Schreiben bringt. Die Lust, mit Worten umzugehen, zu spielen.

Was steht auf Ihrem Schreibtisch? Woran arbeiten Sie gerade?

W. v. M.: Einen eigentlichen Schreibtisch besitze ich nicht. Ein fix installierter Computer hat Platz auf einem kleinen Tischchen, alle anderen Tische sind mit vielen Dingen belegt. Im Atelier steht der grösste von allen, er muss für die Entwürfe auf Papier frei bleiben, dient aber auch der Schreibmaschine oder dem moderneren MacBook.

Woran arbeite ich zurzeit? In einer Mal-Phase war ich noch vor kurzem und der letzte Film liegt schon etwas zurück. Dennoch beschäftigt mich beides. Letzte Arbeiten auf Papier wollten gerahmt, Keilrahmen für Bilder gekauft werden, Filme mussten digitalisiert werden – und von neuen Geschichten träume ich beständig! Aber viele Aktivitäten sind und bleiben fremdbestimmt.

Was möchten Sie zum Abschluss unseres Gesprächs noch sagen?  

W. v. M.: Tätigkeiten, künstlerische Arbeiten vor allem, entstehen oft in Anknüpfung an Früheres, Vergessenes. Etwas Altes, scheinbar Liegengebliebenes kann wieder aufgenommen und zu etwas Neuem weitergeführt werden. So sind Vergessen und Erinnern beide gleichermassen Teil der Arbeit, die in der Gegenwart geschieht. Ich postulierte kürzlich, ich hätte eigentlich keine Hobbys, da alles, was ich tue, Teil meines Gesamtwerks sei. Ein tröstlicher Gedanke.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

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