Volkmar Mühleis (*1972) lebt in Brüssel, wo er an der Kunsthochschule LUCA Philosophie und Ästhetik unterrichtet. Im ATHENA-Verlag erschienen von ihm die Gedichtbände Das Recht des Schwächeren und Fête de la Musique sowie die Novelle Wasserzeichen. Des Weiteren sind von ihm das Tagebuch eines Windreisenden sowie die Novelle Das Begräbnis des Philosophen erhältlich. Als Texter und Sänger ist er darüber hinaus Teil des Kollektivs Brussels Cleaning Masters und des Elektro-Pop-Duos mein Bruder Karin.
Weitere Informationen über den Autor finden Sie auf www.volkmarmuehleis.eu
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Hörproben aus »Gesichtsverlusterkennung«
Hörproben aus »Fête de la Musique«
Hörproben aus »Das Recht des Schwächeren«
Interview mit Volkmar Mühleis zu seinem Buch »Gesichtsverlusterkennung«
Lieber Herr Mühleis, soeben ist Ihr neuer Gedichtband »Gesichtsverlusterkennung« erschienen. In einem Satz: Was erwartet die Lesenden?
Volkmar Mühleis: Eine Fahrt mit zwei Damen in die Unendlichkeit, Sommertage in Nordfrankreich, aber auch kritische Seitenblicke auf Geschichte und Gegenwart, in sprachlicher Freiheit und Finesse.
Komplettes Interview lesen Ihre Gedichte führen Leserinnen und Leser an so unterschiedliche Orte wie Paris, Brüssel, Cayeux-sur-Mer oder Alt-Kladow. Was hat Sie dazu bewogen, diese geografische Vielfalt einzubeziehen? Sind diese Orte für Sie persönlich bedeutsam? V. M.: Das Gesamte folgt poetischen Überlegungen, die zugleich von persönlichen Eindrücken und Vorlieben angeregt werden. In Brüssel lebe ich, in Gent arbeite ich, Paris ist eine Liebe für sich, und nach Alt-Kladow hat es mich einen schönen Samstagmorgen lang verschlagen, ich dachte, die Fähre führe noch weiter über den Wannsee, so entdeckte ich also dort eine fein sortierte Buchhandlung, genoss meinen Kaffee am Hafen und lauschte den Gesprächen der anderen. Einige Ihrer Gedichte scheinen einen Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu führen, etwa wenn historische Schuld und Verantwortung thematisiert werden. Warum ist dieser Dialog für Sie als Autor so wichtig? V. M.: Als Enkel der Kriegsgeneration sind mir Verhaltens- und Redeweisen vertraut, die weit ins 20. Jahrhundert und die deutsche Geschichte zurückreichen. Zugleich habe ich an der Kunsthochschule, wo ich tätig bin, Studierende aus Russland, der Ukraine, aus Israel, China und vielen anderen Ländern. Der Druck geopolitischer Spannungsherde wächst und ist für sie oft konkret spürbar. Wie mit historischer Schuld und Verantwortung umgehen? Das ist ein bleibendes, drängendes Thema. Was ist für Sie das Herausforderndste am Schreiben von Lyrik, speziell bei einem Band, der viele Themen vereint? V. M.: Dieser Band beginnt mit fast nüchternen Ortsbeschreibungen, der Neusser Landstraße in Köln zum Beispiel. Die Poesie steckt im Detail, doch das Beiläufige, Unspektakuläre ist an sich noch nicht poetisch. Wie eine Sprache, wie Bilder finden, worin Details als Besonderes aufscheinen können, ohne ihren unterschwelligen Charakter zu verlieren? Das ist ein sehr schmaler Grat, von dem aus ich eine neue, andere Landschaft mit diesen Gedichten zu eröffnen suche. In einer zunehmend technisierten Welt – welche Rolle kann und sollte die Lyrik Ihrer Meinung nach heute spielen? V. M.: Technik gehört zum Menschen, ich schreibe diese Antwort auf dem Laptop. Meine spanische Akustikgitarre wird mir allerdings immer mehr bedeuten als eine Plastiktastatur, sie überreizt nie meine Nerven, im Gegenteil, mit ihr kann ich mich auch körperlich entfalten. Ihre Handhabbarkeit und Melodiösität ermöglicht klangliche Poesie. Vom Spielen und Singen ins Sprechen zu finden, ist mitunter eine Bewegung. Lyrik ist für mich Teil dieser körperlich-intuitiven, spontanen Bewegung, das Empfinden spricht immer mit. Contra-intuitive, maschinelle Momente können darin fungieren, zum Beispiel Rhythmen erzeugen, Verzerrungen. Die Sache übernehmen können sie nicht, weil ihnen das Organische fremd bleibt. Lyrik ist mit Mathematik und Zeichnung ein Ausdruck, zu dem es nur Papier und Stift braucht. Diese materielle ‚Kaumgebundenheit‘ ist der unersetzliche Kern freier Imagination und Entwicklung. Zum Ende hin noch die Frage: Was steckt hinter dem Titel »Gesichtsverlusterkennung«? V. M.: Gesichtserkennung spielt in den Alltag hinein, ob bei der Passkontrolle oder mitunter schon zum Einchecken im Hotel. Der Gesichtsverlust ist eine Metapher, deren moralischer Hintergrund sich technischer Erfassung entzieht – eine Gesichtsverlusterkennung ist also der Widerspruch eines möglichen technischen Versprechens, eine solche Technologie wird es nie geben. Es gibt jedoch die Erfahrung von Gesichtsverlust – durch Schuld – und ihre Erkennbarkeit. Die Gesichtsverlusterkennung ist damit historisch zu verstehen, im Zeichen einer spielerisch-technischen Konnotation. Im Band wird auf beide Aspekte eingegangen: Täterschaft im Nazi-Regime etwa kommt ebenso zur Sprache wie technologische Absurdität heute. Vielen Dank für das Gespräch. Interview einklappen
Interview mit Volkmar Mühleis zu seinem Buch »Fête de la Musique«
Lieber Herr Mühleis, soeben ist ihr neuer Gedichtband »Fête de la Musique« erschienen.
In einem Satz: Was erwartet die Lesenden?
Volkmar Mühleis: Eine musikalische Reise von Berlin nach New York und über Brüssel weiter nach Italien; ein sich poetisches Freispielen von der Kurzform bis zum Gedichtzyklus; Grüße an Else Lasker-Schüler, Kurt Schwitters, Bart Lodewijks, Rudolf Boehm und andere.
Komplettes Interview lesen Sie sind selbst Musiker, der Titel ihres Gedichtbands ist »Fête de la Musique« und diesem liegt eine Playlist bei, die das Lesen musikalisch untermalt. Ich nehme also an, dass Musik eine große Rolle in Ihrem Leben spielt. Welche Musiker oder Musikerinnen haben Sie besonders geprägt? V. M.: Singende Dichterinnen und Dichter wie Barbara, Leonard Cohen, einmalige Gruppen wie The Smiths, Talk Talk, betörende Virtuosen wie Archie Shepp, Olaf Bär und andere. Gibt es in Ihrem Band ein Gedicht, das Ihnen besonders am Herzen liegt? Welches ist es und warum? V. M.: Das ist wie mit der Frage nach dem liebsten Kind. Als Vater habe ich eine Tochter, da wäre die Antwort leicht. Als Autor ein bestimmtes Gedicht zu bevorzugen, fiele mir schwer. Alle veröffentlichten Texte haben ihren eigenen Kopf ins Leben gesteckt und freuen sich über Aufmerksamkeit. Die »Fête de la Musique« ist eine Veranstaltung, die jedes Jahr in zahlreichen Städten auf der Welt stattfindet. Haben Sie das Event schon einmal besucht? Wenn ja, wie würden Sie die Atmosphäre dort beschreiben? V. M.: Ja, in Brüssel, im Stadtteil Saint-Gilles. Von Bühne zu Bühne, Zelt zu Zelt zu spazieren, Musik live zu hören, in der Menge umherzuschlendern, das ist ein anregendes Sinnen- und im schönsten Fall Sonnenbad, über Generationen hinweg, ein plätschernd bis brausender Nachmittag und Abend – sehr zu empfehlen übrigens auch auf einem kleinen Platz im Zentrum der Stadt, am Denkmal von Jacques Brel. Was war zuerst da (bei Ihnen): Die Musik oder die Lyrik? V. M.: Meine erste LP habe ich mit acht Jahren gekauft, Abbas Greatest Hits Vol. 2. Rituelle Formeln entfalteten den Zauber von Sprache und Denken: Gedenke Mensch, du bist Staub und zu Staub kehrst du zurück. Von den Psalmen zur Lyrik war es dann nicht mehr weit. Vielen Dank für das Gespräch. Interview einklappen
Interview mit Volkmar Mühleis zu seinem Buch »Wasserzeichen«
Lieber Herr Mühleis, soeben ist ihre Novelle »Wasserzeichen« erschienen.
In einem Satz: Was erwartet die Lesenden?
Volkmar Mühleis: Eine Geschichte über Vaterschaft am Beispiel von drei Männern – den einen überfordert sie, ein anderer bleibt Sinnbild des Patriarchats und der dritte hat sie stets abgelehnt – sowie einer Mutter, die inmitten dieser Gemengelage um ihre Tochter kämpft. Zeit und Ort der Handlung: Rotterdam und Hamburg, 2016.
Komplettes Interview lesen Zuletzt wurde Ihr Gedichtband »Das Recht des Schwächeren« veröffentlicht. Was unterscheidet für Sie das Arbeiten an einer Novelle vom Arbeiten an Lyrik? Bevorzugen Sie den Umgang mit einer Textgattung? V. M.: In beiden Fällen geht es um Poesie, einmal als Geschichte, einmal als Bild – wie aus Wortsprüngen, Formulierungen, sich Konstellationen erschließen, Lesarten. Mit dem niederländischen Schriftsteller Remco Campert würde ich sagen, dass die Lyrik die Grundlage dafür bietet. Rotterdam, Hamburg, Wasserzeichen – welche Bedeutung hat die maritime Motivik in ihrem Werk? V. M.: Victor Hugo sprach vom ›ozeanischen Gefühl‹, ein in der mediterranen Literatur seither beliebter Topos. John Keats sah seinen Namen ›nur in Wasser geschrieben‹. Das Allumfassende, jede Spur Verwischende schwingt hier ebenso mit wie der Versuch, vom Element getragen, eigene Bahnen zu ziehen, Ufer zu finden und dazwischen Brücken zu bauen. Es versinnbildlicht unsere existenzielle Ambivalenz. Sie lehren u.a. Philosophie an der Kunsthochschule LUCA in Brüssel. Ihre Novelle behandelt die Lebensentwürfe dreier Männer, ihre schlagartigen Wendepunkte und die Frage nach dem »Was wäre wenn?« Würden Sie sagen, »Wasserzeichen« ist ein philosophisches Buch? V. M.: Die philosophische Seite liegt in der radikalen Infragestellung, der Suche nach Orientierung und Sinngebung, welche in der Geschichte zum Ausdruck kommt. Als Geschichte aber zielt sie auf keine Antworten oder Erörterungen dazu ab. Sie stellt vielmehr die widersprüchliche Komplexität dar, mit der diese Seite sich entfaltet, in den Leben der Hauptfiguren. Was möchten Sie zum Abschluss unseres Gesprächs noch sagen? V. M.: Dass ich auf die Eindrücke der Leserinnen und Leser überaus gespannt bin! Interview einklappen
Vielen Dank für das Gespräch.
Interview mit Volkmar Mühleis zu seinem Buch »Das Recht des Schwächeren«
Lieber Herr Mühleis, soeben ist ihr Gedichtband „Das Recht des Schwächeren“ erschienen.
In einem Satz: Was erwartet die Lesenden?
Volkmar Mühleis: „Das Recht des Schwächeren“ ist ein Gedichtband, der ebenso politisch wie poetisch sein darf, durch den Tiere wie Menschen geistern, in dem der Alltag schon immer besonders war, verwandelt. Die Gedichte sind in den letzten fünf Jahren entstanden, vielfach an meinem Wohnort Brüssel, aber auch in Deutschland und auf Reisen durch Europa. Europa spielt also eine große Rolle, die Erfahrung von Terrorismus, Migration, nicht anders wie unscheinbare, abseitige Szenen, am Grab von Samuel Beckett in Paris, zum Beispiel, oder im Bonner Straßenverkehr.
Komplettes Interview lesen Sie sind nicht nur Autor, sondern auch Musiker (www.volkmarmuehleis.eu) und lehren an der Kunsthochschule LUCA Philosophie und Ästhetik. Inwieweit wirken diese Tätigkeiten in Ihre Lyrik hinein? V. M.: Zeichnen, Musik machen, schreiben gingen für mich immer Hand in Hand, und die professionellen Wege führen dann in die Disziplinen und ihre Institutionen. Statt mich für eine Sache zu entscheiden, habe ich versucht weiterzuverfolgen, was ich gern tue. Es geht um den Balanceakt von Freude am Spiel (im Formulieren, Gestalten, Komponieren) und kritischer Arbeit (Abstand zu finden, anders zu schauen, zu denken, zu schreiben). So entstehen aus ersten Wendungen Gedichte – oder doch eher Liedtexte –, Lieder – oder doch eher Instrumentalstücke –, Betrachtungen – und eben doch keine Erzählungen. Die jeweilige Gestalt entscheidet, wohin welcher Ansatz führt. Woher nehmen Sie den „Stoff“ für Ihre Texte und wie sehen die Bedingungen aus, unter denen Sie schreiben? V. M.: Das Leben selbst ist der Stoff, in seiner Flüchtigkeit, Vergänglichkeit, Spürbarkeit, Fülle. Diesen Stoff in Formen zu überführen, die ihn bündeln, verteilen, verfeinern, ist wie das Leben selbst im besten Fall ein Genuss. Natürlich braucht es all die literarischen Anregungen, um in der Kunst geeignete Mittel und Wege zu finden. Aber Kunst ist für mich kein Selbstzweck, sie ist immer Teil des Lebens. Was von allem, was kürzlich in der Welt passiert und direkt oder indirekt erlebt wurde, hat Sie nachhaltig beeindruckt und entwickelt sich für Sie hieraus die Notwendigkeit eines künstlerischen Ausdrucks? V. M.: Die große Frage bleibt unser Umgang mit der Natur, und im Rahmen dessen bewegen mich ökologische Folgen wie der Streit um Ressourcen, Migration, die jüngste Pandemie. Meine Eltern in der Voreifel haben die Flutkatastrophe in diesem Sommer hautnah erlebt. Die Natur drückt sich aus, wenn man so will, auf übermächtige Weise. Die Dichtung bleibt davon nicht unberührt. Was möchten Sie zum Abschluss unseres Gesprächs noch sagen? V. M.: Ich möchte mich ganz herzlich für die Gelegenheit dazu bedanken, und freue mich auf die Fortführung des Gesprächs mit den Leserinnen und Lesern! Vielen Dank für das Gespräch. Interview einklappen